Lade Veranstaltungen

« Alle Veranstaltungen

  • Diese Veranstaltung hat bereits stattgefunden.

Was reimt sich auf Edition:?

11. Januar 2022 @ 18:00 - 11. Februar 2022 @ 20:00

 

Was reimt sich auf Edition:?
Die Edition: ist ein Raum. Die Edition: ist für andere da. Ist die Edition: ein Kollektiv? Die Edition: ist Costanza Brandizzi, Amanda Burzić, Theresa Ulrike Cellnigg, Judith Gattermayr und Kiky Thomanek. Was reimt sich auf Edition:?

Soft Opening: Dienstag, 11. Jänner 2022, 18.00 – 20.00 Uhr

Am Samstag, den 15. Jänner 2022 von 15.00 bis 17.00 Uhr geöffnet (im Rahmen des Art Walks)

Ausstellungsdauer: 12. Jänner bis 11. Februar 2022 | Öffnungszeiten: Di – Fr, 15.00 – 18.00 Uhr und Mittwoch 12. Jänner bis 20.00 Uhr

Costanza Brandizzi, Amanda Burzić, Theresa Ulrike Cellnigg, Judith Gattermayr und Kiky Thomanek sind Absolventinnen der Bildenden Kunst, Malerei und Grafik der Kunstuniversität Linz. Gemeinsam leiten sie seit 2017 EDITION: in Linz.

Was reimt sich auf Edition:?
Versuch einer assoziativen Ortung
Vorab. Kunst ist sprachlos. Bild und Text berühren einander nicht. Wenn die
fünf Künstlerinnen der „Edition:“ selbstreflexiv fragen, was sich auf sie reime –
d.h. auf eine Künstlerinnen-Vereinigung, die zugleich als autonome
Vernetzungs-, Ausstellungs- und Veranstaltungsplattform für andere junge
Kunstschaffende fungiert –, so kann diese Frage hier, inmitten ihrer Arbeiten
des letzten Jahres, nur eins sein: Verweis ins Offene, ständiger Impuls zur Suche

Ambivalenzen des Sichtbaren. Treten wir ein: Ein paar Schritte nach dem
Eingang zum Ausstellungsraum in der Galerie MAERZ wartet Kiky Thomaneks
Objekt „O.T. (Amish Style)“, das so widersprüchliche Assoziationen wie
„Stele“ und „Gespenst“ hervorruft. Ein ziegelförmiges Stück Styropor, weiß
übermalt – daher an Gips erinnernd; schwerer wirkend, als es wiegt – und mit
einem maskenhaften, mundlosen Kopfportrait versehen, hängt an dünnen
Nylonfäden in ca. zwei Meter Höhe. Um es herum drapiert, haubenartig: ein
babyrosa Kranz aus Rüschen, Material: Vorhangstoff, Polyester. Unter dem
„Portraitziegel“: Lange, babyrosa Polyesterschnüre, die wie Haare, vertikale
Linien (ein Nicht-Körper), bis zum Boden reichen, wo sie wellenförmig
ineinanderfließen. Rosa, in zartem Farbauftrag, auch die Konturen des
aufgemalten Kopfes – nur die dunklen, leeren Augen und die tiefrote Nase
heben sich scharf umrissen ab, was den ambivalenten Eindruck des
Unheimlichen und zugleich Komisch-Grotesken (die rote Nase) verstärkt. Das
eine scheint immer wieder ins andere zu changieren – eine Wirkung, die auch
von den vier anderen Bildern Kiky Thomaneks in der MAERZ ausgeht.
Zwei davon sind neben dem großformatigen Tableau „Schläger“ von Theresa
Ulrike Cellnigg platziert. Sie zeigen zwei geisterhafte Gesichter, in Öl auf
Lackleder (!) gemalt, in gedeckten, hellen Farben, z.B. blassen Lila-, Hellblauund
Grüntönen. Beide mehr oder weniger ins Abstrakte vexierend, beide mit
signalrotem Akzent. Beim Portrait „O.T. (Vampir)“, ist der rote Mund, in dessen
Winkel die Farbe verläuft, wie Blut, zudem ein Motiv, das sich im „Schläger“-
Bild von Theresa Ulrike Cellnigg wiederfindet:
Ein augenscheinlich gut situierter (und frisierter), bärtiger Mann, vor einem
Türrahmen stehend, das Zentrum des Bildes ausfüllend, zeigt uns mit
eindringlichem Blick und maliziösem Lächeln seine blutige Handmuschel, Blut
rinnt ihm auch aus Nase und Mund in den akkurat gestutzten Bart. Rotglühende
Pupillen. Wäre er ein Täter, stünden wir, die das Bild betrachten, auf der
Position seines Opfers. Rechts und links des Kopfes Geweihe, Jagdtrophäen –
Anspielung auf eine etablierte, „männlich“ konnotierte Form der
Gewaltausübung: das Töten von Tieren zum Spaß. Theresa Ulrike Cellnigg hat
den Mann in helllila Unterhosen gemalt – wodurch er noch bedrohlicher wirkt.
Die auffällig hellen, fast weißen Beine und das blasse, leicht rosige Gesicht
lassen an fotografische Überblendungen denken, und, weiter: an Blendung, auch
Gaslighting. Aus dieser Perspektive wird der wie hochgeklappt gemalte
Parkettboden ebenfalls zum Zeichen einer Gefahr, eines In-die-Enge-Getriebenund
Gefangenseins – unerreichbar der tiefblaue Himmel im Hintergrund, hinter
hohen, geschlossenen Fenstern.
Das dunkle Thema Gewalt kontrastiert ein zweites, im gleichen Format
angefertigtes Cellnigg-Bild, titels „Sehnsucht“. Inmitten einer hellen Fläche:
zwei einander zugewandte Skelett-Körper, Hand in Hand, vor einem braunen,
hell gesprenkelten Rechteck, das vielleicht ein Grab darstellt, Erde oder
Porphyr, worauf sie liegen und von oben betrachtet werden. Am rechten oberen
Bildrand springt ein spitz zulaufender Farbstreifen in sattem Frühlingsgrün ins
Auge, über der ganzen Szenerie liegen hellblaue Farbtupfen, wie fallende
Schneeflocken, die alles perforieren, in Licht auflösen – Liebe, stärker als der
Tod? Oder doch die Toten als Memento Vitae? Und was ist mit den Spuren roter
Farbe an einigen der Rippen?
„WE ARE ALL GOING TO DIE“ heißt Judith Gattermayrs elegante,
minimalistische Arbeit: Zwei längliche Elemente, wie zylinderförmige Pakete,
das eine in matt-hellblauen, das andere in schwarzglänzenden (Kunst-)Stoff
eingeschlagen, liegen eng nebeneinander und sind u.a. durch ein schwarzes
Gurtband samt großem Karabinerhaken fixiert. Hülle an Hülle, das ist hier die
einzige Nähe. Zusammenhalt (oder -zwang) nur durch ein schwarzes Band, das
sich ein Stückweit hinzieht, eine Wand hoch, abbricht. Eine Variante stellt
„TOY“ dar, wo das schwarze Gurtband lose auf einem stehenden ,Paketobjekt‘
aufliegt, seitlich nach unten hängt und dort eine großzügige Schlinge in der Luft
formt … Ein spielerisches Moment, das die Melancholie des schwarzen Bandes
ein wenig aufhebt. Judith Gattermayrs Thema sind, sagt sie: „Beziehungen –
zwischen Menschen und zwischen Materialien, die stellvertretend für das
Zwischenmenschliche stehen“ – ihren im besten Sinn strengen Installationen
zufolge: wider alles Wünschen eine opake, einsame Angelegenheit.
An der Wand noch eines ihrer Ölbilder: das Porträt einer Frau, auch hier
Reduktion, Betonung der Linie, der Zeichnung. Die Abgebildete ist mager,
androgyn, ihre Augenlider schläfrig, die Pupillen nach oben verschoben; mit
einem solchen Blick wurden z.B. im Barock ekstatische Heilige dargestellt,
doch hier hat man es eher (?) mit einer Femme fatale zu tun, die vage an die
Karikaturen von Otto Dix erinnert. Den Mund missmutig (?) geschürzt, die
Hände, Arme in überlange Handschuhe gehüllt und so positioniert, als müsse sie
sich selbst halten, umarmen, umrahmen, das Wort „Danger“, vielleicht als
Tattoo, auf dem Leib: Trotz und Verlorenheit. Und der lakonische Titel „<3“, in
den sich, so knapp er ist, viel hineininterpretieren lässt.
Judith Gattermayr nennt „die Faszination für Ambivalentes und das
Zusammenspiel von Gegensätzlichem“ als wesentlich für ihr Kunstschaffen –
und benennt damit zwei Eigenschaften, die die Arbeiten der fünf „Edition:“-
Künstlerinnen gemeinsam haben könnten.
Amanda Burzić zeigt etwa ein auf den ersten Blick monochromes Ölbild in
Brauntönen. Der Titel: „I need you I wouldn’t survive without you I’m
vulnerable before you“ – eine dramatische Liebeserklärung, unter deren Optik
das Bild, mitsamt seinen Verwerfungen, der pastosen, den Tastsinn
ansprechenden Pinselspur, den von Nahem erkennbaren, gestrichelten, rot- und
gelbbraunen „Farbinseln“, den lackglänzenden Stellen … zum Abbild eines
aufgewühlten Seelenzustands wird, den Sehsinn ins Haptische verschiebend. Die
Augen wie Fingerkuppen, die Strukturen abtasten, um stumm zu erkennen. Zwei
weitere Bilder Amanda Burzićs lassen sich als ironische Kommentare zum
Thema „Liebe“ betrachten. Das kleinformatige „Umgekehrte 500 Meter sind
immer noch zu schnell in deine Richtung“ zeigt ein Plüschhündchen mit
großem, roten Herz in den Pfoten, umgeben von „wilden“ Pinselstrichen in Grün
und Grünbraun. Hierzu stellt das poesiealbenkitschige Sujet des „herzigen“
Welpen ebenso einen Widerspruch dar, wie zur Form eines aufwendigen
Ölbilds. Im Spannungsfeld zwischen Kitsch und Kunst? Kritik am Kunstmarkt?
Vielleicht auch eine Anspielung auf die verbreiteten, naiven Klischees von
Liebe und Treue, die Illusion der Unschuld. Was zum dritten Bild Burzićs
überleiten könnte, das, weiße Linien auf hellblauem Grund, ein Mädchen zeigt,
eine Manga-Figur, großäugig, mit im Schrei aufgerissenem Mund. Zeichenhaft,
das Blau wie verschlissen.
In unmittelbarer Nähe: Costanza Brandizzis Miniaturen aus der Serie
„Fundstücke“. Eine der kleinen Arbeiten hängt an der Wand, sechs weitere sind
einige Zentimeter über dem Boden aufgereiht, waagrecht auf kleinen Sockeln
befestigt. Will man sie genauer betrachten, muss man sich bücken und wird
damit Teil dieser Installation, wortwörtlich von den Bildern bewegt, zur Geste
des Sich-Beugens, -Verkrümmens veranlasst. Die „Fundstücke“ sind das
Ergebnis einer dreifachen Metamorphose. Auf dem Wiener Flohmarkt
fotografierte Costanza Brandizzi zunächst ihr ins Auge fallende Arrangements
verschiedener Verkaufsobjekte wie z.B. alter Gläser, Schalen, Eierbecher,
skurriler Nippesfigürchen etc. (Assoziation aus der Geschichte der modernen
Avantgarde: das zufällige Zusammentreffen einer Nähmaschine und eines
Regenschirms auf einem Seziertisch). Die Fotos druckte sie auf Schrumpffolie,
die sich bei starker Hitze im Backofen auf 40 Prozent ihrer ursprünglichen
Größe zusammenzog, oder, mit Costanza Brandizzi: verdichtete. Die so
entstandenen Miniaturen sind gewissermaßen Hybride, nicht mehr einer
bestimmten bildnerischen Technik zuordenbar. Die fotografierten Sujets sind ins
Malerische verfremdet, ja, entrückt. Man sieht sie, trotz der plastikglänzenden
Folie, wie hinter einem unregelmäßigen, milch- oder rauchglasfarbenen
Nebelschleier, die Konturen weich, die Farben gedämpft, manches ist als
figuratives Abbild teilweise oder ganz ausgelöscht, nurmehr Form, Farbe,
Irritation. Ob man einmal einen Teddy erkennt, der bäuchlings auf einem
Plastiktablett liegt, als sei er die Odaliske eines klassizistischen Gemäldes, oder
vier „chinesische Stempel“, die an antike Skulpturen erinnern etc.: Die
Miniaturen, in denen sowohl Fotografie, als auch Druck und die Konfrontation
mit großer Hitze Spuren hinterließen (die sich ‚ineinander verdichteten‘)
scheinen nicht nur Alltagsobjekte einer vergangenen Zeit zu zeigen – sondern
quasi das abstrakte, unwiederkehrbar Vergangene selbst. Und damit
widerspiegeln sie allzu gegenwärtige Empfindungen, in einer sich
digitalisierenden Welt, in der unsere Wahrnehmung der Dinge brüchig wird.
3. Desweiteren. Im Internet „lässt sich nichts dingfest machen“: Der Philosoph
Byung Chul Han behandelt im Essay „Infokratie“ eine Auswirkung der
aktuellen Digitalisierung: die zunehmende Verwandlung der Gegenstände
unserer Umwelt in „Information“. Hiermit einhergehend: das Abhandenkommen
einer relativ verlässlichen, gemeinsamen Realität bzw. des Vertrauens in eine
allgemeine, auf Tatsachen fußende „Wahrheit“. Die geisterhaften Porträts Kiky
Thomaneks; die durchscheinende, das Dargestellte ein Stückweit
transzendierende Helligkeit in Theresa Ulrike Cellniggs Bildern, die in sich
„verschlossenen“ Objekte Judith Gattermayrs, das wie mit flüchtigem Licht
gezeichnete Manga-Mädchen Amanda Burzićs, die Miniaturen Costanza
Brandizzis … Die Werke dieser Ausstellung lassen sich auch als Reaktionen auf
unsere Gegenwart lesen. „Was reimt sich auf Edition:?“. Hinsehen, bitte.
Birgit Schwaner

Details

Beginn:
11. Januar 2022 @ 18:00
Ende:
11. Februar 2022 @ 20:00
Veranstaltungskategorie:

Veranstalter

Maerz Galerie
Telefon
+43 732 77 17 86
E-Mail
galerie(at)maerz.at

Veranstaltungsort

Maerz Galerie
Eisenbahngasse 20
Linz, Oberösterreich 4020 Österreich
Google Karte anzeigen
Telefon
+43 732 77 17 86