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CHIMÄREN Otto Saxinger und Robert Zahornicky

10. Januar 2023 @ 19:00 - 3. Februar 2023 @ 18:00

Einladung zur Ausstellung
CHIMÄREN – Fotoarbeiten von Otto Saxinger und Robert Zahornicky

Ausstellungseröffnung am 10.01.2023 um 19.00 Uhr

Begrüßung: Lisa Spalt (MAERZ)

Zur Ausstellung spricht: der Autor und Kognitionsforacher Thomas Raab

Öffnungszeiten der Ausstellung:
Ausstellungsdauer: 11. Jänner bis 03. Februar 2023
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag, 15.00 –18.00 Uhr

Thomas Raab zur Ausstellung Chimären von Otto Saxinger und Robert Zahornicky in der Galerie

Intuitiv denkt man bei der Fotografie an Abbildung, an die Kopie optischer Reize, die auf
der Aufnahme als dieselben Objekte wiedererkannt werden wie in der Wirklichkeit,
obwohl zum Beispiel Haptik, Geruch, Dreidimensionalität oder auch Farbe fehlt. Diese
Abbildungsintuition ist der Grund, warum man meiste instinktiv „schöne oder
interessante Fotos“ machen und auch als Motiv selber auf den Fotos „schön oder
interessant aussehen“ will. Doch Fotos sind Chimären.
Mit ihrem Ausstellungstitel Chimären – eine Übersetzung wäre Trugbilder – wollen
und Otto Saxinger und Robert Zahornicky darauf hinweisen, dass die Intuition der
Abbildung falsch ist – für ihre Werke oder den Großteil ihrer Werke allemal, aber auch
als allgemeine Hypothese über die Fotografie als Medium. Das ist gewiss auch ironisch
gemeint, denn in irgendeiner Form drückt ja jedes Ding als Tatsache „eine Wahrheit aus“,
auch Fotos, und natürlich meinen die Künstler mit den ausgestellten Arbeiten ihre
Wahrheiten oder wenigstens Aspekte davon als plausibel vermitteln zu können.
Was wäre denn ein „Nichttrugbild“? Etwas Grübeln bringt mir folgende Antwort
ein: Ein Bild, das meine Stimmungslage und meinen Vorstellungsverlauf in einem
bestimmten kleinen Zeitintervall, vielleicht weniger als eine Sekunde, ausdrückt. Dies ist,
wie eh alle wissen, unmöglich. Zu fahrig ist das Erleben, zu schnell wechseln die Kulissen.
Dennoch ist der Mimesisdiskurs seit jeher dominant in der Kunsttheorie und äußert sich
zum Beispiel in den Begriffspaaren abstrakt/konkret, konzeptuell/retinal, 2D/3D usw.
Sowohl Saxinger als auch Zahornicky wenden sich also gegen die veristische
Fotografie, aber nicht nur im Sinne der angeblichen Abbildungsfunktion fotografischer
Aufnahmemittel, sondern im Sinn der Objektivität schlechthin.
„To photograph ist to convey importance. There is probably no subject that cannot
be beautified“, schrieb die New Yorker Schriftstellerin Susan Sontag in den 1970er-
Jahren. Alles wird „schön“ durch die bloße Sujetwahl, weil impliziert ist, dass der
Fotograf oder die Fotografin es der Wahl wert gefunden hat. Auch gegen diese These
treten und traten die beiden Künstler mit ihren mittlerweile beträchtlichen Werken an –
wenn auch mit unterschiedlichen Methoden.

Wenn schon Kognitionsforscher auf der Einladung steht, dann möchte ich kurz ins
Volle theoretisieren und zwei gut begründbare Hypothesen aus der neueren Psychologie
bringen:
Erstens ist die Wahrnehmung, experimentell untersucht, keine Reizverarbeitung,
sondern ein intermittierendes Sondieren der Umwelt, ob sie noch zur aktuellen
Orientierung passt. So gesehen, ist natürlich bereits die Sujetauswahl nicht „veristisch“,
da niemandes Orientierung gleich ist. Noch schärfer: Es gibt überhaupt keine veristische
Kunst, und es ist seltsam, dass es der fotografischen Medien bedurfte, diese
Nullhypothese der Erkenntnistheorie mehr Menschen klar zu machen.
Es gibt „in der Natur“, ohne Menschen, der sie wahrnimmt, ja nicht einmal
Ereignisse. Schon diese müssen „gebunden“, in eine Struktur eingebettet werden, denn
ohne Sinn kein Ereignis, sondern nur Ablauf und Prozess. So hat auch ein einzelnes Foto
oder Bild von selbst keinen Sinn, sondern die Gesamtapparat inklusive der Orientierung
der Urheber*in, der Aufnahmemaschine und der vor dem Objektiv ablaufende Prozess
bestimmen das „freeze frame“. Die Information ist in unseren Köpfen.
Zweitens ist sie dort nicht in Bit und Byte abgelegt, die an Adressen abgerufen
werden, wenn sie ein Programm braucht. Es gibt gute Hinweise aus der kognitiven
Psychologie, dass unsere nicht rekonstruierten Erinnerungsepisode, die übrigens
weniger zahlreich sind, als man intuitiv glaubt, nicht Bilder, sondern „unerledigte
Probleme“ zur weiteren Bearbeitung ins Bewusstsein befördern, d.h. Konstellationen
unserer Orientierung, die wir während des Erlebens nicht widerspruchsfrei aufnehmen
und akzeptieren konnten.
Gerade die Fotografie wird oft mit Erinnerung in Verbindung gebracht, und ich
denke es ist unstrittig, dass sie dieser als Stütze zu Hilfe kommen kann. Doch der
Augenblick der Aufnahme ist indes immer ein Augenblick, in dem der Fotograf oder die
Fotografin keinen Widerspruch erlebt, weil er oder sie ja aufs Foto und die Bedienung
des Aufnahmeapparats konzentriert ist. Daher halten Fotos so gut wie immer
Augenblicke fest, die weder die Abgebildeten, die auch auf die Aufnahme konzentriert
waren, noch der oder die Abbildende erinnern. Man war auf das fokussiert, was die
Fototheorie „den Apparat“ nennt und damit nicht nur die technischen Geräte, sondern
auch die Sitten und Gewohnheiten rund um die Aufnahmen meint. Fotografie hat also am
wenigsten von allen künstlerischen Medien mit Erinnerung zu tun.

Dafür aber am meisten mit dem Unbewussten des Fotografen oder der Fotografin.
Man könnte sagen (und es ist auch gesagt worden), die Fotografie ist ein
psychoanalytisches Medium ähnlich der Traum.
Welche Methoden stehen zur Verfügung, um den Einfluss des Unbewussten, des
allzu Persönlichen oder Konsensuellen auf die Sujetwahl zu vermeiden? Denn schließlich
will jemand, der künstlerisch fotografiert, etwas Neues schaffen und nicht, wie ein
Pressefotograf, die Klischees des Publikums bedienen. Dazu muss er am Konsens in
seinem eigenen Unbewussten, so gut es geht, vorbei. Drei Methoden fallen mir sofort ein
und sie kommen sämtlich in dieser Ausstellung zum Tragen.
So kann man (1) den Einfluss des Unbewussten und der eigenen Wünsche durch
Verschärfung und Radikalisierung des Subjektiven zu verringern versuchen. Flucht nach
vorne also. Dazu zählen beispielsweise die Ecken Zahornickys. Man drückt nach
vorgegebenen Kriterien mechanisch den Auslöser oder auch, wie der Künstler
regelmäßig eindrucksvoll unter Beweis stellt, wenn einem Motive gerade nicht gefallen
oder unwichtig erscheinen. Vom Standpunkt des Fotografen wirkt das Sujet zufällig,
wobei ihm die nachfolgende Beurteilung des fotografischen Ergebnisses nahelegt, dass
auch dieser Zufall immer durch sein Unbewusstes gelenkt bleibt. Die radikale
Subjektivierung, die auch eine Enthemmung ist, die selbstbewusst auf die untersten
Schichten des Unbewussten, also nach Trieben und Treibabkömmlingen forscht,
praktiziert Robert Zahornicky in einigen seiner Serien.
Genau dieses Subjektive versucht Otto Saxinger wiederum, besonders bei den
Rückenporträts der „besonderen Menschen“ mit dem Titel Rück-Spiegel (2018) möglichst
zu vermeiden. Ihm sind stattdessen Korrespondenzen und Kommunikation zwischen den
Bildern einer Serie und darüberhinaus wichtig. Diese Methode stellt (2) formal bildliche
Ähnlichkeiten in den Vordergrund. Das Einzelwerk verrät daher kaum mehr den
subjektiven Blick des Künstlers. In den Spiegel-Porträts zum Beispiel schränkt das
wiederkehrende Motiv des Spiegels die Subjektivität des Künstler ein, weil die
Porträtierten mit diesem umgehen und auch das Bild im Spiegel irgendwie in den
Ausschnitt muss.
Besonders da sie im großen Raum die Hauptrolle spielt, soll als (3) dritte Methode
die mediale Manipulation mit Fokus auf die technischen Möglichkeiten des
Fotografischen nicht vergessen werden. In der Ausstellung vorgeführt werden die
Techniken des Fotogramms sowie der Durchlichtcollage.

Bei ersterem bei das chemische Medium des Fotopapiers direkt mit Objekten in
Kontakt gebracht wird. Zahornicky zeigt hier die, nach innovativer Methode
hergestellten Polaroid-Fotogramme einer im Stift Admont entstandene Serie sowie Der
molussische Torso (1994), ein gleichsam negativer Schatten einer Schneiderpuppe.
Saxingers Privatsammlung 1 indessen besteht aus 24 Fotogrammen, die 24 Personen
nach Anleitung des Künstlers selbst anfertigten, womit er einmal mehr seinen
persönlichen Einfluss auf die Bildresultat minimierte.
Bei der Durchlichtcollage, bei der eine beidseitig bedruckte Seite, zum Beispiel aus
einem Magazin, durchleuchtet und fotografiert wird, zeigt sich Glück und
Überraschungseffekt des Zufalls besonders deutlich. Zu dieser Kategorie gehören
Zahornickys Serie Double Vision (2010-2011), deren Collageeffekt sich freilich als objets
trouvés entfaltet, und Saxingers neue Serie X-Re-Verschlungene, die eher der typischen
Collagetechnik des bewussten Kombinierens folgt.
Bei allen Arbeiten erweist sich, dass der subjektive Blick des Fotokünstlers der
„natürliche“ Blick des „Künstlichen“ ist. Es ist ein Blick, dem das Medium selbst bereits
einverleibt wurde.

Thomas Raab, Jänner 2023

 

 

Details

Beginn:
10. Januar 2023 @ 19:00
Ende:
3. Februar 2023 @ 18:00
Veranstaltungskategorie:

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