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Waldeggstrasse

6. September 2022 @ 19:00 - 23. September 2022 @ 18:00

Einladung zur Ausstellung
Waldeggstrasse. Stefan Brandmayr, Otto Hainzl

Stefan Brandmayr, Skulptur   Otto Hainzl, Fotografie

sowie Buchpräsentation

TWENTYSIX HOUSES ALONG WALDEGGSTRASSE

Eröffnung: Dienstag, 06. September 2022, 19.00 Uhr

Begrüßung: Lisa Spalt (MAERZ)

Zur Ausstellung spricht:

Franz Koppelstätter, Leiter des afo architekturforum oberösterreich

Wir empfehlen die Mitnahme einer Maske.

Öffnungszeiten der Ausstellung:
Ausstellungsdauer: 07. September bis 23. September 2022
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag, 15.00 –18.00 Uhr

Eröffnung

Waldeggstraße

Otto Hainzl und Stefan Brandmayr

Rede von Franz Koppelstätter
Leiter afo architekturforum oberösterreich
6. September 2022
Galerie MAERZ

Schnappatmung

Beim Stichwort Waldeggstraße setzt bei einem, der sich mit Verkehr in Linz beschäftigt die
Schnappatmung ein. Denn, beim Thema Verkehr kommt man hier nicht vorbei. Einfahrtsschneise,
Pendlerhölle, Niedergang und Zerfall, Fahrradwege im Zickzack-Muster. Ich habe mal einen Mann
kennengelernt, der mit seiner Familie in der Waldeggstraße 14 wohnte. Das war im Zuge eines
Willhaben-Geschäfts. Er reparierte alte Fahrräder und eines davon hab ich ihm abgekauft. Er hat
erzählt, dass es zwischen 3 und 4 Uhr in der Früh ruhig ist, in der Straße, da fahren kaum Autos.
Mich hat dabei erschreckt, dass er das zeitlich so genau verorten konnte. Selbst hab ich keine
Ahnung, was vor meinem Haus um diese Uhrzeit los ist.
Die Waldeggstraße ist eine jener Straßen, die als Durchzugsstraßen beispielhaft für „Die
autogerechte Stadt“ stehen. Wobei man dem Architekten und Stadtplaner Hans Bernhard Reichow,
der das gleichnamige Buch 1959 veröffentlicht hat, Unrecht tut damit, diese Phrase für solche
Straßen zu verwenden. Er hatte die Probleme, die der steigende Autoverkehr auslöste, erkannt
und wollte alles andere als dröhnende Schneisen durch gewachsene Stadtquartiere. Mit seinen
Konzepten wollte er vielmehr eine funktionale Trennung von Verkehr und Wohnen oder Freizeit
schaffen, um die Menschen vor Lärm, Gestank und Unfallgefahr zu bewahren.
Die Waldeggstraße ist also nicht Hans Bernhard Reichows geistiges Kind. Sie ist die Konsequenz
aus kurzsichtigem Fortschrittsglauben. Sie ist das Resultat von einem selbstverstärkenden
System, das auf steigende Verkehrszahlen mit mehr Fahrspuren reagiert oder mit besseren
Schleppkurven, damit man geschmeidiger um die Kurven fahren kann oder mit einer grünen Welle,
damit der Fließverkehr flüssiger verkehrt. Es ist fast so wie bei einer Rückkopplung in der
Tontechnik. Erst hört man das Pfeifen kaum, dann versucht man an den Reglern herumzudrehen
und bevor man merkt, dass man keine Ahnung hat was die Regler eigentlich für Funktionen haben,
ist das leise Pfeifen zu einem trommelfellzerreisenden Lärm angewachsen und verzweifelt sucht
man nach dem Stecker um ihn rauszuziehen.
Aber um den Stecker aus der Waldeggstraße zu ziehen, fehlt uns als Gesellschaft die Schneid.
Lieber weiter an den Reglern drehen. Diesmal ist einer von den ganz großen Knöpfen dran – aus
einer Bundesstraße, der B 139, soll eine Autobahn, die A 26, werden.

Zeitschichten

Woher kommt diese Idee, im 21. Jahrhundert eine Stadtautobahn zu bauen, wo andere Städte
damit beschäftigt sind, ihre Stadtautobahnen rückzubauen oder umzubauen in instagramtaugliche
Flaniermeilen, Fahrrad-Highways und Fly-over-Parks?
In der Zeit des Wirtschaftswunders und der Wunderwirtschaft konnten sich mehr und mehr
Menschen ein eigenes Auto leisten. Das war Statussymbol ebenso wie Vehikel zur Unabhängkeit.
Mit eigenem Auto hatte man es schon zu was gebracht, konnte damit in den Urlaub an die Adria
fahren oder auch zur Garage vor dem Eigenheim im gerade erst sich entwickelnden Speckgürtel,
und von dort wieder in die Stadt, zur Arbeit, um das Geld für die Ratenzahlungen für Haus und
Auto zu verdienen.
Anfang der 60er Jahre hatte das steigende Verkehrsaufkommen den Bau der Westbahnbrücke
notwendig erscheinen lassen. Damit war es dann vorbei mit einer recht beschaulichen Idylle, die
man sich anhand der Fotografien von Otto Hainzl nur noch schwer vorstellen kann.

Räume und Qualitäten

Vor Kurzem habe ich ein Foto gesehen. Es zeigt eine Siedlung oberhalb der Waldeggstraße um
1930, kurz nach deren Fertigstellung. Geplant von Architekt Julius Schulte hatten die Häuser breite
Balkone nach Süden, in der Mitte eine Art Dorfplatz mit einem noch jungen Baum im Zentrum. Von
dort führte eine zweihüftige Treppenanlage den Geländesprung hinunter zu einer gepflasterten
Waldeggstraße. In meinem Kopf habe ich das Klappern von Pferdefuhrwerken gehört. Die
beschriebene Situation liegt gegenüber dem Haus mit dem ASIA MARKT. Der Baum im Zentrum
der Wohnanlage ist mittlerweile Parkplätzen gewichen, die Treppenanlage durch eine wenig
proportionierte Stufenansammlung ersetzt worden und auf den Balkonen mag niemand sitzen, weil
keine zehn Meter davor der Durchzugsverkehr braust – Verkehr der anschließend durch Straßen
mit so wohlklingenden Namen wie Kellergasse, Sandgasse, Hopfengasse und Kapuzinerstraße
führt, ohne dass man hinter der Windschutzscheibe die Straßennamen wahrnehmen würde.
Anfang der 60er Jahre also die Westbahnbrücke. Das schrie wohl nach einer konsequenten
Fortsetzung. 1972 stellte Kurt Leibbrand den Gesamtverkehrsplan für Linz vor. Kurt Leibbrand war
im gesamten deutschsprachigen Raum ein gefragter Verkehrsplaner. Zumindest bis er 1961 als
Kriegsverbrecher festgenommen und angeklagt wurde, bevor das Verfahren Jahre später wegen
Verjährung eingestellt wurde. Dieser Gesamtverkehrsplan für Linz sah die sogenannte
Westspange vor, eine Verbindung von der Westbahnbrücke durch den Freinberg über die Donau,
durch den Pöstlingberg und weiter bis zur Mühlkreisautobahn. Das Ziel war anscheinend einen
gigantischen Kreisverkehr um Linz herumzubauen.
Anfang der 2000er Jahr ist einer unseligen Allianz aus Lokal- und Landespolitik die Idee
gekommen, diesen anachronistischen Plan aus der Schublade zu holen um die Stadt endlich von
der unerträglich gewordenen Verkehrsbelastung zu befreien.
Damit aus der Waldeggstraße also eine richtige Autobahn werden kann, musste die ASFINAG, die
staatliche Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, erst die etwa 400
Meter lange Häuserzeile um circa 30 Millionen Euro aufkaufen. Dann mussten alle
Bewohner*innen und Geschäftsleute aus den Häusern raus. Das ist vor über zehn Jahren
geschehen. Der Abbruch beginnt in den darauffolgenden Monaten. Die Spuren, die dieser Akt des
gezielten Entleerens und Verlassens hinterlassen hat, mag man in den Objekten von Stefan
Brandmayr sehen. Vielleicht auch die Ablagerungen von Ruß und Feinstaub.
Als Nächstes wird aufgegraben und unter dem aktuellen Straßenniveau die Autobahn gebaut und
wenn das fertig ist kommt ein Deckel drauf – und darüber kommt wieder eine Waldeggstraße hin.
Wer jetzt glaubt, dass wir dann ein Problem weniger hätten, täuscht sich. Der Verkehr lässt sich
einfach nicht unter den Teppich – oder in dem Fall unter den Freinberg – kehren. Bis zu 30.000
zusätzlichen Fahrbewegungen werden nach Fertigstellung der A 26 an der jetzigen
Waldeggkreuzung erwartet.
Beim Schreiben solcher Zeilen könnte man schon mal in Verzweiflung abrutschen. Welcher also ist
der Weg raus aus so einer Misere? Ein erster Schritt kann Selbstreflexion sein. Wer hier im Raum
ist in der vergangenen Woche mit dem Auto durch die Waldeggstraße gefahren? War diese Fahrt
notwendig? Immerhin führen hier mehrere Buslinien entlang und gleich daneben eine
Straßenbahntrasse, ganz zu schweigen von den Zügen, auf die man nach dem Abbruch der
Häuser ungehindert blicken wird können. Dass unsere Stadt von Autos verstopft ist kommt nicht
von ungefähr, sondern eben auch davon, dass viele Menschen mit dem Auto fahren.
Das A26-Projekt wurde und wird damit argumentiert, dass dadurch die Stadt Linz vom Verkehr
entlastet wird. Als mündige Bürger*innen ist es unsere Aufgabe, politische Verantwortungsträger
immer wieder an dieses Zukunfts-Versprechen zu erinnern. Kurt Leibbrand ist 1985 verstorben,
sein damaliger Auftraggeber, Bürgermeister Franz Hillinger, 1991. Sie werden sich also mit den
Ergebnissen ihres Engagements nicht mehr auseinandersetzen müssen. Wir und künftige
Generationen aber schon.
Darum müssen wir uns jetzt schon Gedanken machen, wie wir die Probleme, die wir uns in diesem
Moment einbrocken und einbrocken lassen, wieder lösen können.
Aber bitte nicht, indem wir weiter an den milliardenschweren Knöpfen drehen.

 

Details

Beginn:
6. September 2022 @ 19:00
Ende:
23. September 2022 @ 18:00
Veranstaltungskategorie:

Veranstalter

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